11. Februar 2013

So viel Zeit ...

... ist da auf einmal übrig.

Zeit für echtes Leben, für reale Treffen, für lange Telefonate, für richtige Briefe.
Zeit für meine Kinder, für meinen Partner, für meine Bücher. Und vor allem Zeit für mich.
Was ist passiert?

Eigentlich nicht viel. Eigentlich war es nur ein kleiner Knopfdruck, mit dem ich aber seit Wochen gerungen habe, bis ich es endlich schaffte, mich gegen die vielen kleinen und großen "Abers" in meinem Kopf durchzusetzen.
Und dann habe ich es getan: Ich habe meine Accounts bei Facebook, bei Xing und bei Twitter gelöscht.

Ich war mir selbst abhanden gekommen. Meine Zeit war mir abhanden gekommen.
Ich sagte mir oft, ich könnte ja jederzeit aussteigen, wenn ich nur wollte.
Aber so einfach war das gar nicht. Ich war süchtig. Süchtig nach Kommentaren, süchtig nach "gefällt mir"- Klicks, süchtig nach Resonanz. Immer wieder der Blick auf das Smartphone, auf den Computer, ob jemand sich gemeldet, etwas in meiner Chronik gepostet, geteilt oder wenigstens "geliked" hat. Immer wieder das Schielen auf Verkaufszahlen bei Amazon (die so nichtssagend sind wie der morgendliche Kaffeesatz), immer wieder die Angst, etwas zu verpassen, nicht teilzunehmen an dem Hype um schneller, höher, weiter.
Ich wollte und konnte das nicht mehr.

Zuletzt hatte ich über 2000 Facebookfreunde. Ein mir unbekannter User schrieb mir eine PN: "Kann man wirklich 2000 Freunde haben?"
Darüber habe ich nachgedacht. Lange nachgedacht. Und dann angefangen zu löschen. Ich hatte beschlossen, meine Autorenseite bei Facebook weiter zu führen und meine private Seite wirklich auf die Menschen zu beschränken, die ich auch privat kenne. Ich habe fast 1.800 Kontakte gelöscht. Und fühlte mich schon wesentlich freier.

Aber irgendetwas stimmte noch nicht. Ich beobachtete mich selbst ein paar Tage und dann fiel es mir auf.
Ich kommunizierte über FB mit Menschen, die in meiner unmittelbaren Reichweite leben. Ich wünschte denen per FB einen guten Tag, die auf der anderen Straßenseite wohnen oder zumindest telefonisch von mir jederzeit erreicht werden können.
Ich schickte meinem Partner Liebesgrüße, der am Schreibtisch eine Etage tiefer arbeitete. Wir chatteten miteinander, statt zu reden.
DAS kann es doch auf keinen Fall sein. Und genauso wie vorher beobachtete ich das Netz rund  um die Uhr, was es mir vielleicht sagen will.

Der Schnitt musste sein. Ich habe mich konsequent komplett gelöscht. Wie das klingt. Ich habe mich gelöscht. Dabei habe ich nur einen Account gelöscht. Eine virtuelle Visitenkarte. Mehr nicht.
Und fühle mich seitdem wie befreit.
Wenn ich einen Freund sprechen will, schreibe ich wieder eine Mail, einen Brief oder greife zum Telefon.
Wenn ich meinem Liebsten etwas sagen will, flüstere ich es ihm ins Ohr.

Und für mich ... habe ich wieder Zeit für all die Dinge, die hier liegengeblieben sind.

In drei Tagen ist Valentinstag. Ich liebe es, kleine Geschenke zu machen. Schon immer und nicht nur zu Valentin. Trotzdem habe ich das Datum gerne zum Anlass genommen, meinen Lieben hier zu Hause eine Kleinigkeit zu verpacken.





Das Papier dafür habe ich mir ausgedruckt.
Die Tüten selbst gebastelt nach dieser Anleitung.



Und dann schneite mir noch eine Anleitung zum Herzchen-Häkeln ins Haus. Das musste ich natürlich auch gleich ausprobieren.




Und jetzt freue ich mich auf den 14. Februar. Und auf die Schleckermäuler, die meine Tüten auspacken dürfen.
Mir selbst habe ich gerade das größte Geschenk gemacht: Ganz viel ZEIT.

12 Kommentare:

Nikola Hotel hat gesagt…

Liebe Jutta,

ich finde das wunderbar! Und bewundernswert!
Auch mir wird jeden Tag bewusster, wie viel kostbare Zeit regelrecht gefressen wird bei diesem ganzen "sozialen" Netzwerken. Und Dein Blogbeitrag bringt mich ernsthaft zum Nachdenken. Ich brauche noch einen kleinen Schubs, aber das Entsagen erscheint mir jeden Tag attraktiver.
Ich wünsche Dir und Deinen Lieben von Herzen eine schöne facebookfreie Zeit!

Alles Liebe ♥
Nikola

Jutta Wilke hat gesagt…

Danke, liebe Nikola.
Mir bleibt ja das Bloggen. Das werde ich weiter machen. Aber ich fühle mich ehrlich sehr befreit. Manchmal ist es noch komisch, auf das Smartphone zu gucken und so gar keine Nachricht zu finden. Aber das wird sich bald legen. Und dann überlege ich, ob ich überhaupt noch ein Smartphone mit Internetzugang brauche. Dann spare ich nicht nur Zeit, sondern auch viel Geld. Im Moment träume ich mich in ein Haus am Meer. Weit weit weg von all dem "sein müssen" .. wieder hin zu einem "sein dürfen".
Liebe Grüße
Jutta

Jutta Wilke hat gesagt…

PS: Mehr zum Thema findest du übrigens auch bei Reiner: http://bewersdorff.blogspot.com - falls du noch ein paar kleine Schubse brauchst ;-)

ღ Sheena S. ღ hat gesagt…

Liebe Jutta,
Ich werde dich zwar auf FB sehr vermissen =( aber ich bewundere es sehr das du so konsequent durchgezogen hast.
Damit ich keine News was neue Bücher oder Lesungen angeht verpasse verfolge ich dich ja nun hier weiter. =)
Die Tütchen sind ja wunderbar schön gestalltet und ich hoffe sehr deine Liebsten freuen sich darüber.
Sei lieb gegrüßt von Sheena

Alice Gabathuler hat gesagt…

Ich bin gespalten. Wenn es nur nach mir ginge, wäre ich von heute auf morgen von allem weg - ausser von meinem Blog. Dummerweise frage ich mich immer öfter, ob ich meine Bücher nicht einfach selber machen soll (das ist eine andere, lange Geschichte) und weil sich diese Frage immer drängender stellt, bin ich auf FB, Twitter und Google Plus aktiv.

Nicola, Frage an dich: Du machst ja deine Bücher selber. Denkst du, das hätte auch so gut geklappt, wenn du nicht online gewesen wärst / wenn du weniger online gewesen wärst? Gerade deinen Internetauftritt habe ich immer bewundert und mir für den Fall eines Self Publishing auch immer zur Richtlinie genommen habe.

Wenn ich wüsste, dass ich den Rest meines Lebens für Verlage schreibe, wäre die Entscheidung eine einfache. So aber suche ich (immer noch) eine Balance.

Ich gebe Bescheid, wenn ich sie gefunden habe ...

Jutta: Ich habe ein Handy für 20 Franken, ohne Smart und ohne Internet. Prepaid. Die meiste Zeit ist es nicht einmal eingeschaltet. Es lebt sich wunderbar damit.

Nikola Hotel hat gesagt…

Liebe Alice, das genau ist der Grund, warum ich noch einen Anstoß brauche. Ohne das Bloggen hätte das Selbstveröffentlichen vermutlich nicht so gut funktioniert. Auf meinen Blog möchte ich auch niemals verzichten. Trotzdem denke ich, die Reichweite von fb wird überschätzt. Die Reichweite und der Effekt. Da gibt es über Amazon bestimmt bessere Werbemöglichkeiten, die gleich mehrere tausend Menschen erreichen.
Kleinere Aktionen machen oft viel Arbeit, die nicht unbedingt im Verhältnis steht. Und es gibt auch sehr erfolgreiche SPler, von denen man nicht einmal eine Homepage findet.
Wenn ich disziplinierter wäre, dann müsste ich mir keine Gedanken um fb machen, aber ich bin es leider nicht und gucke ständig nach, was es Neues gibt. Vielleicht schaffst Du diesen Spagat ja.
Zum Vergleich: Sieh mal nach, wie extrem aktive Netz-Nutzer mit ihren Büchern dastehen. Da gibt es auch gute Beispiele, dass man nicht erfolgreich sein muss, nur weil man bekannt ist wie ein bunter Hund.
Ich hoffe jedenfalls, dass ich entweder so mutig bin wie Jutta, oder eben für mich eine konsequente Regelung finde.

Liebe Grüße,
Nikola

P.S. Danke Jutta für den Link. Das werde ich jetzt sehr gerne und in Ruhe lesen. Ich finde das wirklich toll!

Alice Gabathuler hat gesagt…

Liebe Nikola

Danke für die Antwort (und sorry für das "c" im obigen Kommentar). Ja, ich denke auch, dass FB (und social Media generell) total überschätzt werden. Man gerät nur manchmal in diesen Sog, der im Netz so stark ist: Da gibt es tatsächlich Menschen, die denken, ohne Internet geht gar nichts. Sich da nicht mitreissen zu lassen, sondern die Kontrolle zu behalten, ist nicht immer einfach. Deine Beobachtungen überraschen mich trotzdem. Ich würde es sehr spannend finden zu erfahren, wie man als SP-ler erfolgreich sein kann ohne Dauerpräsenz in den Social Media. Darüber könntest du doch mal ausführlich bloggen :-)


Nikola Hotel hat gesagt…

Wenn ich da die optimale Methode herausfinde, dann mache ich das sehr gerne. Dafür bloggst Du dann bitte über Deine Unabhängigkeits-Pläne, da bin ich nämlich auch sehr neugierig drauf.:)

Alice Gabathuler hat gesagt…

Ich habe mir heute überlegt, wie ich das mache. Ich gehe zurück zum Bloggen als Basis. Und dann haue ich die Links auf meine Blogeinträge auf FB, Twitter und Google Plus. Einfach so, als Info. Als Angebot.

Schliesslich ist meine FB-Seite eine reine Autorinnenseite. Da reicht es, wenn ich die Blogeinträge übers Schreiben hochlade, denn wer gerade wo einen Schokoriegel gegessen hat, hat mich eigentlich noch nie wirklich interessiert. Mit Twitter werde ich auch bei Anlauf 3 nicht warm und allenfalls lasse ich meinen Account verweisen. Aber wenn ich darauf ohne Aufwand - via Link - über meine Arbeit informieren kann, dann passt auch das. Kurz: Das Ziel ist, für FB, Twitter und Google Plus pro Tag nicht mehr als 5 bis 10 Minuten investieren. Beim Bloggen darfs dann gerne länger dauern.

Was ich zurückfahre: Die Interaktion. Ich weiss, dass Social Media Dialog ist. Aber ganz ehrlich: Das geht mit der Zeit an die Zeit (wie Jutta schreibt). Google Plus klammere ich hier mal aus. Ich hab das Ding liebgewonnen. Weil es so unauferegt ist und weil man da im besten Fall diskutieren kann wie früher in den Blogs. Das gefällt mir. Privat. Für mich. Nicht einmal unbedingt als Autorin.

Morgen früh um sieben steige ich aber erst mal in den Zug in die Berge :-) Und dann offline ich nach herzenslust und schreibe!

Bobsmile hat gesagt…

Hallo Jutta

Als Zaungast, der ab und zu via Alices Blog hier vorbeischaut, gratuliere ich dir zu diesem Schritt, der dich auf jeden Fall mehr Lebensqualität zurückgewinnen lässt. Es ist nicht einfach, die Sucht (welch garstig Wort) einzugestehen, SELBER den Knopf zu drücken und ohne fremde Hilfe die Geister zu vertreiben.
Bravo!

Ich tat es vor einem halben Jahr und kann nur bestätigen: Man fühlt sich tatsächlich ein Stück freier.
Wichtig für FB: Die nächsten 14 Tage Finger weg vom Login, die versuchen alles, um dich zurückzugewinnen, da deine Email-Adresse in deren DB fest eingebrannt ist. Somit wirst du kurze Zeit noch FB Anfragen erhalten. But, who cares?

Einen befreiten Schneetag wünscht dir,
Bobsmile

Jutta Wilke hat gesagt…

Hallo Bobsmile,
via Alice "kenne" ich dich natürlich schon lange. Schön, dich auch hier mal zu lesen.
Ja, "Sucht" ist ein garstiges Wort, aber genau das ist es. Und mit den gleichen Ausflüchten, wie bei allen Süchten, windet man sich immer wieder aus der Verantwortung: ich könnte ja, wenn ich wollte, ich schränke es einfach ein, ich muss ja nicht, ist ja alles freiwillig und und und ...
Aber so war es bei mir nicht. Ich konnte nicht, selbst als ich wollte. Und einschränken habe ich auch nicht geschafft. Jetzt, wo ich raus bin, merke ich: es steckte so viel mehr dahinter, als nur das Gefühl, ständig "on" sein zu müssen. Es war nicht nur das dauernde "posten", "liken", "retweeten" etc. Es ist auch die Flut an Informationen, die mich so erschlagen hat. Die geballte Masse an Input. Ich war ja gar nicht mehr in der Lage, das alles zu trennen und auseinander zu halten. Wichtiges, Witziges, Trauriges, Katastrophales, Politisches, Soziales, Religiöses, Grausames, Fanatisches, Skurriles ... ich bin fast ertrunken in Informationen, die ich eigentlich weder brauche noch haben will.
Beim Bloggen ist das anders. Hier kann ich gezielt aussuchen. Die Blogs werden mir nicht so um die Ohren gehauen. Ich kann Artikel zum Papst-Rücktritt lesen oder es lassen. Aber ich muss mir keine einhundertdrölfzig Comics, Kommentare, Unkenrufe, Beileidsbekundungen und und und mehr anhören bzw. lesen. Das fühlt sich einfach nur gut an. So gut, dass ich mich frage, warum ich nicht schon längst drauf gekommen bin ;-)

Liebe Grüße
ganz ohne Schnee
Jutta

Anonym hat gesagt…

Hallo liebe Jutta ;-)
Ich finde Deinen Bericht sehr sehr interessant, weil mir auch seit einiger Zeit auffällt, dass ich die meiste Zeit am Tag auf Facebook verbringe. Dort bin ich in sämtlichen Handarbeitsgruppen, da ich selber sehr gern Stricke und Häkel.
Aber genau wie Du schreibst, es ist sooo viel Input und nach ner Zeit sehr anstrengend es zu sortieren. Die ganzen Infos, Eindrücke, Familiengeschichten, etc.
Naja und dazu kommen natürlich auch die ganzen Büchermädels ;-)
Es nimmt bei mir sogar so viel Raum ein, dass ich selber sehr viel weniger Bücher lese und auch viel weniger handarbeite, da der Tag dann auf einmal rum ist.
Und wenn mich meine Kinder oder mein Mann etwas fragen ich teilweise genervt bin, weil sie mich ja gerade stören und ich die Kommis nicht verfolgen kann.
Wenn man sich wirklich mal in Ruhe hinsetzt und sich das durch den Kopf gehen lässt, ist es ganz schön schlimm. Meine Familie ist schließlich das Wichtigste für mich!
Puh, aber den Schritt wirklich gehen und mich löschen????
Dann sind wirklich die Kontakte von den Buchmädels und den Handarbeitsgruppen weg.
Aber auf der anderen Seite schaffe ich es auch nicht, es irgendwie zu begrenzen.
Ich muss immer "on" sein.
Schrecklich oder?
Mir fehlt doch noch der Ruck mich tatsächlich zu löschen, obwohl mir oftmals der Kopf schwirrt und ich absolut voll von Infos bin.
Hmmm....
Hast Du eine Rat?
Ich bin übrigens die Catrin, der Du neulich per PN die Essgewohnheiten von Dir beschrieben hast ;-)

Ganz liebe Grüße
Catrin