20. April 2017

Wir beginnen dieses Leben zu lieben

Zugegeben, ich bin ein bisschen in der Versenkung verschwunden. Das hat gleich mehrere Gründe.
Der beste: Ich stecke mitten in einem Manuskript, ein Jugendbuch diesmal und noch dazu ein Herzensprojekt, in dem es ganz viel ums Anderssein geht und darum, wie aus dreimal anders doch einmal Miteinander werden kann. Ein Sommerbuch irgendwo mitten in schwedischen Birkenwäldern. Ein bisschen Geduld müsst ihr noch haben, dann erzähle ich euch mehr.


Der zweite Grund: Die aktuelle Politik, das Tagesgeschehen. Manchmal mochte ich den Computer schon gar nicht mehr hochfahren, die sozialen Netzwerke schon gar nicht mehr nach Nachrichten durchforsten. Von Trump über Erdogan, jeden Morgen bin ich fast dankbar dafür, dass diese Erde sich überhaupt noch dreht. Und jeden Abend beim Einschlafen hoffe ich, dass sie das auch am nächsten Morgen noch tun wird. Ich habe mich - Twitter sei dank - ziemlich in die Geschehnisse reingesteigert. Und habe gemerkt, das tut mir nicht gut. Ich bin zwar ein aktiver und durchaus auch politischer Mensch, aber hier fühle ich mich Geschehnissen hilflos ausgeliefert, an denen ich nichts ändern kann. Und das machte mich zunehmend erst müde, dann krank. 

Ich habe eine Fluchttür gesucht und auch gefunden: Das Schreiben. Ich habe schon lange nicht mehr so viel geschrieben wie in den letzten Wochen. Nicht nur am Manuskript, nein, auch wenn Frau Agentin das sicher inständig hofft. Aber ich habe auch viele Schreibübungen gemacht, Kurzgeschichten geschrieben, Morgenseiten wurden zu Mittags- und dann wieder zu Abendseiten. Ich habe ganze Kladden mit meinen Gedanken, Gefühlen, Beobachtungen gefüllt. Habe mich auf Schreibabenteuer und Schreibspiele eingelassen, habe die Welt um mich herum aus der Perspektive meines Küchentisches, einer Stehlampe oder auch einer Blaumeise betrachtet. Und auf einmal, weit weg vom großen Weltgeschehen ist mir das passiert, das Natalie Goldberg in ihrem wunderbaren Buch vom "Schreiben in Cafes" so beschreibt:

Wir beginnen, dieses Leben zu lieben, weil es unseres ist und wir in diesem Augenblick nichts Besseres finden werden.

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Blitz. Nicht, weil sie so neu ist, aber weil ich sie fast vergessen hatte in all dem Gewusel um mich herum. Ich habe mir das Leben, in dem ich mich fast verloren hatte, wieder herbei geschrieben. Und es ist nicht einmal so, dass ich in diesem Augenblick nichts besseres finde, es ist vielmehr so, dass es das beste ist, das ich habe. Denn es ist mein Leben. Und mein Schreiben, ohne das es gar nicht mein Leben wäre.

Susan Sonntag hat gesagt: Ich schreibe, um herauszufinden, was ich denke. Viel zu lange habe ich gedacht, um herauszufinden, was ich schreiben soll. Und mich damit über viele Monate selbst blockiert. Es war ein bisschen so wie Bücher darüber zu lesen, wie wichtig das Atmen ist, statt einfach zu atmen. Jetzt schreibe ich wieder. Und atme. Die Welt da draußen ist keine bessere geworden. Aber es ist wieder meine. Und in ihr verbergen sich noch tausend Geschichten, die gefunden und aufgeschrieben werden wollen. So wie die vom Anderssein.


1 Kommentar:

Nula hat gesagt…

Liebe Jutta,
Deine Worte klingen und summen in mir. Ich glaube, ich schreibe auch manchmal, um zu sehen was ich denke...und es ist gut nicht zu verstummen, vor allem nicht zu verstummen bei allem drum heraum.

Liebe Grüße
Nula