17. April 2013

Initiative deutschsprachiger Kinder- und JugendbuchautorInnen und IllustratorInnen


Liebe AutorInnen und IllustratorInnen!



Dieser Offene Brief wird zum Welttag des Buches, 23. 4. 2013, offiziell an den AKJ und an Frau Schröder verschickt.

Dafür brauchen wir Unterschriften und hoffen auf Ihre und eure Mithilfe und Solidarität. Bisher haben schon 285 - teils sehr namhafte - AutorInnen und IllustratorInnen unterzeichnet.

Zum "Unterzeichnen" bitte einfach eine Mail mit Eurer Zustimmung an diese Adresse senden: DJLP_Initiative@gmx.de

Bitte mit Angabe, ob ihr als AutorInnen oder IllustratorInnen (oder beides) unterzeichnet. :)

Sehr gern können Sie und könnt ihr den Link zum Offenen Brief an befreundete AutorInnen undIllustratorInnen  (egal, ob aus dem Erwachsenen- oder aus dem Kinder- und Jugendbereich) weiterleiten - mit Bitte um Unterzeichnung.  

Einsendeschluss für die Unterschriften ist der 22.4. um 12 Uhr.

  
Habt vielen Dank für Eure Mithilfe!


Euer 7köpfiges Organisationsteam







Und hier der offene Brief im Wortlaut:


Initiative deutschsprachiger Kinder- und JugendbuchautorInnen und IllustratorInnen
c/o Antje Wagner
Benkertstr. 14
14467 Potsdam


Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Frau Dr. Kristina Schröder
Glinkastr. 24
10117 Berlin

nachrichtlich:
Arbeitskreis für Jugendliteratur e.V.
Projektleitung Deutscher Jugendliteraturpreis
Metzstraße 14c
81667 München

 

 

Der Deutsche Filmpreis geht in diesem Jahr an die US-Produktion  
„Django Unchained“ unter der Regie von Quentin Tarantino!

Sehr geehrte Frau Bundesministerin,

ist die oben zitierte Pressemeldung nur ein Aprilscherz der Medien? Was jede Leserin und jeder Leser für einen Witz halten würde, ist beim Deutschen Jugendliteraturpreis (DJLP) seit Jahren gang und gäbe. Der DJLP ist der einzige deutsche Staatspreis für Literatur. Von Staatspreisen für andere Künste unterscheidet er sich jedoch dadurch, dass er nicht der originären deutschsprachigen Kinder- und Jugendbuchproduktion vorbehalten ist. Der Grund sind die Vergaberichtlinien des Preises, die hier kurz zitiert sein sollen:

Zur Auszeichnung mit einem Preis können Bücher vorgeschlagen werden, die im Jahr 2012 erstmals erschienen sind:
1. deutschsprachige Originalwerke lebender AutorInnen/ HerausgeberInnen und IllustratorInnen
2. deutsche Übersetzungen von fremdsprachigen Werken lebender AutorInnen und HerausgeberInnen

Bei Betrachtung der Nominierungslisten der vergangenen zehn Jahre zeigt sich: 70% der nominierten Kinder- und Jugendbücher sind keine deutschsprachigen Originalwerke. Im Nominierungsjahr 2013 betrug die Anzahl der nominierten Kinderbücher von deutschsprachigen AutorInnen: 0%. Wie auch bereits in den Jahren 2005, 2006 und 2007.

Was heißt das genau?
Allein das Erscheinungsjahr in Deutschland ist entscheidend. Verlage können aktuelle Übersetzungen einreichen, deren Erstveröffentlichung des Originals Jahre zurückliegt. Im Falle der 2008 prämierten US-Autorin Paula Fox waren es 39 Jahre.
Abgesehen davon, dass also dieser Staatspreis – anders als in anderen Ländern – nicht der Anerkennung und Förderung der eigenen Literaturproduktion dient, wird Übersetzungen zudem noch ein starker Vorteil gewährt: Sie haben jahrelang Zeit, sich in ihrem Heimatland zu bewähren, Preise zu gewinnen, Bestsellerlisten anzuführen und hohe mediale Anerkennung zu erlangen – kurz: sich zu etablieren, bevor sie hier in der Übersetzung erscheinen und in den Wettbewerb gehen. Eingereichte deutschsprachige Originale sind im Gegensatz dazu erst kurz auf dem Markt, haben kaum Zeit, von KritikerInnen, MultiplikatorInnen und LeserInnen wahrgenommen zu werden, geschweige denn, sich zu etablieren. Paul Maar, selbst Preisträger, kritisierte bereits vor Jahren, dass durch die Vergabepraxis des DJLP „der Blick verstellt wird auf deutsche Nachwuchsautoren und deren Bücher.“

Als der DJLP im Jahre 1956 ins Leben gerufen wurde, hatte die Öffnung für Übersetzungen eine wichtige Funktion. Vor dem Krieg war die Jugendliteratur stark ideologisch geprägt. Es galt, den Blick nach außen zu richten, Völkerverständigung zu fördern. Zudem war die Eigenproduktion von Kinder- und Jugendliteratur noch sehr gering.
Die Lebensrealität und die Literaturproduktion haben sich im Vergleich zu damals umfassend gewandelt. Wir leben unter völlig anderen politischen Verhältnissen, Kinder wachsen mehrsprachig, bestens informiert und von kleinauf mit Medien wie dem Internet auf. Multikulturalität spielt sich vor der eigenen Haustür ab.
In Geschichten, die in der hiesigen Realität angesiedelt sind, finden Kinder Möglichkeiten zur Reflexion über ihre konkreten Alltagserlebnisse. Multikulturalität kann wiederum nicht ausschließlich hinter den Landesgrenzen wahrgenommen werden, sie ist längst Teil unserer eigenen Literaturproduktion geworden.
Für die Zielsetzung dieses Leseförderungspreises, nämlich „Kinder und Jugendliche zur Begegnung und Auseinandersetzung mit Literatur anzuregen“, braucht es den Fokus auf deutschsprachige Originalwerke. Es sind eben v.a. deren AutorInnen, die in diesem Land Lesungen durchführen und dabei direkt und wirkungsvoll Literatur vermitteln können. Zudem hat ein Text nur in seiner Muttersprache die ursprüngliche literarische Dichte und Authentizität.
Übersetzungen sind eine höchst anspruchsvolle Leistung mit einer ganz eigenen Qualität, die ohne Frage gewürdigt gehört! Übersetzungen und Originaltexte sind jedoch zwei verschiedeneliterarische Formen, die nicht miteinander konkurrieren, sondern separat wahrgenommen und gewürdigt werden sollten. Die Trennung der Sparten ist üblich. Ähnlich wie beim Preis der Leipziger Buchmesse, sollte deshalb auch beim DJLP eine separate neue Sparte eingerichtet werden, die ausdrücklich die Übersetzungsleistung auszeichnet.

Der Arbeitskreis für Jugendliteratur (AKJ), der seit Jahren von vielen Seiten kritisiert wird, argumentiert mit folgenden Punkten:

1)      dass man die LeserInnen durch die Schwerpunktverschiebung auf deutschsprachige Originale nicht „von der internationalen Entwicklung“ abschneiden, sondern weiter den „Blick über den Gartenzaun“ ermöglichen möchte
2)      dass man es weiterhin für unerlässlich hält, „wichtige Impulse und neue literarische Entwicklungen aus anderen Ländern aufzunehmen und somit die Kinder- und Jugendliteratur hierzulande zu fördern“
3)      dass nicht die AutorInnen Ziel der Förderung seien, sondern die Leseförderung selbst
4)      dass der schwedische Astrid Lindgren Memorial Award und die britische Carnegie Medal ebenfalls international vergeben würden
5)      dass es bereits die Kranichsteiner Literaturstipendien und den Preis fürs Gesamtwerk gäbe,   die ausschließlich an deutschsprachige AutorInnen gingen.




Bei dieser Argumentation werden folgende Antworten hartnäckig ignoriert:

zu 1)
Deutschland ist das Land mit den meisten Übersetzungen – auf der Welt. Von einem „Abschneiden von internationalen Entwicklungen“ kann keine Rede sein. Der Buchhandel hält einen üppig gedeckten Tisch an Übersetzungen bereit. Fast jedes zweite Buch ist eine Übersetzung. Sie werden von Verlagen oft bevorzugt beworben und durch andere Vermittlungsinstanzen sichtbar gemacht und empfohlen. Dazu bedarf es nicht zusätzlich des DJLP.
In einer Zeit, in der sich manche/r deutschsprachige AutorIn aus Marketinggründen gezwungen fühlt, unter englischsprachigem Pseudonym und mit einer entsprechenden inhaltlichen Ausrichtung zu veröffentlichen, wird ein Problem eklatant: Nicht nur die Förderung der Vermittlung von fremden Lebensbereichen und Kulturen ist wichtig sondern mindestens ebenso die Förderung derVermittlung der eigenen kulturellen Identität. Diese Vermittlung wird benachteiligt.
Außerdem ist für interkulturellen Dialog der gegenseitige Austausch mit anderen Kulturen und Sprachen wichtig. Die Nominierungslisten und Preisträger des DJLP werden im Ausland wahrgenommen. Goethe-Institute, internationale Schulen und Bibliotheken bestellen die prämierten Titel und laden nicht selten die PreisträgerInnen zu Lesungen ein. Diese Gelegenheit, auch Kindern und Jugendlichen in anderen Ländern Geschichten aus Deutschland zu erzählen und somit in einen grenzübergreifenden Austausch zu treten, macht wenig Sinn, wenn in Paris auf dem Büchertisch des Deutschen Jugendliteraturpreises Titel aus USA und Neuseeland liegen – nur eben in deutscher Übersetzung.

zu 2)
a)      Deutschsprachige Bücher auszuzeichnen, die auf sprachliche und inhaltliche Qualität setzen, würde die eigene Literaturqualität fördern und sichern. Verlagen, die trotz wirtschaftlicher Erwägungen „riskante“ deutschsprachige Originaltitel nicht scheuen, die auf Anspruch und nicht auf leichtverkäuflichen Mainstream setzen, würde auf diese Weise ein Signal gegeben: neben der Suche nach ausgezeichneten (und bewährten) Lizenztiteln aus dem Ausland eben auch auf die qualitativ hochwertigen, deutschsprachigen Titel zu achten, sie ebenfalls ins Programm zu nehmen, sie zu stärken. Deren Wertschätzung durch den Staatspreis würde automatisch die Wertschätzung und Förderung durch die Verlage nach sich ziehen.
b)      Was für einen Eindruck mag die Literaturproduktion eines Landes im Ausland erwecken, in dem es zwar einen reichen Kinder- und Jugendliteraturmarkt gibt, wo aber kaum je ein deutschsprachiges Originalwerk den Deutschen Jugendliteraturpreis bekommt, eine Produktion, die also offenkundig schon im eigenen Land als preisunwürdig gilt?

zu 3)
a)      Wenn Leseförderung und Literaturvermittlung im Mittelpunkt stehen, darf nicht ignoriert werden, dass die beste VermittlerIn eines Buchs der/die AutorIn oder IllustratorIn selbst sind. AutorInnen und IllustratorInnen, die zu Lesungen in Schulen, Bibliotheken, Buchläden, auf Festivals, Buchmessen, in Literaturhäuser und Leseclubs eingeladen werden, bilden die direkte Brücke zwischen Buch und LeserIn. Sowohl das Vorlesen als auch das anschließende Gespräch mit jungen und älteren ZuhörerInnen schaffen den unmittelbaren, sinnlichen Zugang. Bei fremdsprachigen AutorInnen, die mit dem DJLP ausgezeichnet werden, fehlt diese „Brücke“: Die Autorin/der Autor wird – schon aus Sprach- und Entfernungsgründen – kaum Lesungen hier wahrnehmen.
b)      Fremdsprachige Bücher können in ihrem Herkunftsland mit ihrem Staatspreis ausgezeichnet werden und zusätzlich mit dem deutschen Staatspreis, während deutschsprachige Bücher mit ihrem eigenen Staatspreis kaum je ausgezeichnet werden und in anderen Ländern zu den jeweiligen Staatspreisen – verständlicherweise – keinen Zugang haben. Die öffentliche Anerkennung durch den Preis ist aber gerade für mutige, innovative Texte sehr wichtig. Milena Baisch, Preisträgerin Kinderbuch 2011, stellte fest: „Welch enorme Wirkung schon allein die Nominierung hat, um einem kleinen, individuellen Buch Aufmerksamkeit zu bescheren, hat mich selbst überrascht.“Konzentrierte man diese Aufmerksamkeit auf hiesige herausragende literarische Arbeiten, würde man nicht nur die AutorInnen selbst, sondern auch die Verlage darin unterstützen, den eingeschlagenen, oftmals riskanten, aber qualitativ hochwertigen Weg weiterzugehen. Eine langfristige Investition, mittels derer die Qualität originalsprachlicher Kinder- und Jugendliteratur gesichert und gesteigert werden kann. Anders gesagt: Die deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur würde davon profitieren, wenn nicht bevorzugt „Impulse und Entwicklungen aus anderen Ländern“, sondern die eigenen kreativen Entwicklungen und Vorstöße, die eigene Risikobereitschaft und Innovation, die eigenen Impulse wahrgenommen, anerkannt und gefördert würden.

zu 4)
Der Astrid-Lindgren-Preis ist kein Leseförderungspreis wie der DJLP, sondern ein Gedächtnispreis für „Arbeiten im Geiste Astrid Lindgrens“.
Die britische Carnegie Medal wird vergeben an „books written in English and first published in the UK during the previous year”. Zwar kann der Autor/die Autorin demnach nichtbritisch sein, aber zugelassen sind nur englischsprachige und erstmals in Großbritannien verlegte Bücher. Der Fokus liegt genau dort, wo er auch für den DJLP wünschenswert wäre: auf muttersprachlicher Originalliteratur.

zu 5)
Abgesehen davon, dass das Kranichsteiner Literaturstipendium eben nicht der Deutsche Jugendliteraturpreis ist und davon getrennt (als Stipendium, nicht als Preis) wahrgenommen wird, richtet sich diese Unterstützung allein an JugendbuchautorInnen. KinderbuchautorInnen und IllustratorInnen sind hier ausgeschlossen. Dass der Preis für das Gesamtwerk an deutschsprachige AutorInnen geht, sollte nicht als Gegenbeispiel herangezogen werden müssen, sondern selbstverständlich sein.

In fast sechzig Jahren ist die Benachteiligung der deutschsprachigen Originalliteratur immer wieder beim Arbeitskreis für Jugendliteratur kritisiert und eine Änderung der Statuten angeregt worden – bisher vergeblich. Die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) hat 2004 als Reaktion darauf ihre Mitgliedschaft im Arbeitskreis gekündigt. Ein offener Brief der Redakteurin Dr. Astrid van Nahl, der im März 2013 an das Familienministerium und den AKJ gegangen ist, blieb bisher ohne Folgen. Aber wir UnterzeichnerInnen sind der Meinung:

 

Eine Änderung der Vergaberichtlinien des Deutschen Jugendliteraturpreises in folgenden zwei Punkten ist unabdingbar und überfällig:

1)      Zugelassen werden sollen in der Bewertung durch Kritiker- und Jugendjury deutschsprachige Originalwerke in den Sparten Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch und Sachbuch.
2)      Deutsche Übersetzungen von fremdsprachigen Werken sollen separat, das heißt in einereigenen Sparte/ eigenen Sparten prämiert werden.

Die deutschsprachige Kinder- und Jugendliteratur möge nach nunmehr fast sechzig Jahren endlich vom Deutschen Jugendliteraturpreis angemessen wahrgenommen und gewertschätzt werden, so wie es auch andere Länder mit ihrer eigenen Literaturproduktion handhaben.




Unterschriften bitte an: DJLP_Initiative@gmx.de





Quellen:
1)       Wolfgang Bittner: Deutscher Jugendliteraturpreis. Ein Staatspreis für Lizenzen aus dem Ausland? Neue Rheinische Zeitung, 25.1.2012, Link: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17423
2)       Otfried Wolfrum: Über die unausgeschöpfte Effektivität des Deutschen Jugendliteraturpreises. Eine Dokumentation, Link: http://laetitia-verlag.de/210/Dokumentation_zum_DJLP.html
3)      Paul Maar: Einführungsreferat in Franz, K. und P. Maar (Herausg.): Leser treffen Autoren. Schneider, Hohengehren 2006, S. 4 ff.

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